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Die Nasridenpaläste

Die Nasridenpaläste bestehen aus drei unabhängigen, wenn auch zusammenhängenden Bereichen: dem Mexuar, dem Comares-Palast und dem Löwen-Palast. Obwohl sie ein Ensemble darstellen, ist jeder einzelne Palast einem bestimmten Sultan zuzuordnen.

Eines der ältesten Gebäude ist der Mexuar-Palast: Audienzsaal und Zentrum der Justizverwaltung. Den Zentralbau ließ Ismail I. errichten, der fünfte Sultan Granadas. Hier saß er einst, hörte seine Minister an und sprach Recht.

Wieder überliefern Verse von Ibn al-Jatib die ursprüngliche Wirkung des Saals:

"Glückwunsch zu deinem geglückten Gebäude, Freistatt für Tage des Rats und der Gaben; wie schön seine Kuppel, die, hoch wie die Himmel, den Blick des Betrachters noch weit übersteigt!"

Die Kuppel aus Holz und farbigem Glas ist heute verschwunden. Aber einen Eindruck von ihrer einstigen Schönheit gibt die Decke des Mirador de Lindaraja im Löwenpalast.

Über Sultan Ismail finden sich in den Chroniken widersprüchliche Aussagen.

Im Jahre 1319 versuchten die spanischen Prinzen Pedro und Juan, Granada zu erobern. In der Schlacht der Sierra Elvira bezahlten sie und viele andere christliche Ritter mit ihrem Leben dafür. Einige Quellen berichten, dass Ismail den Leichnam des Prinzen Juan mit einer Ehren-Eskorte nach Cordoba zurückschickte. Andere, vor allem islamische Quellen, behaupten dagegen, dass man Juans ausgestopften Leib am Tor der Alhambra aufhängte. Ein Propagandakrieg im Mittelalter.

Hinter einem schmalen Durchgang der Innenhof des Cuarto Dorado. Durch die kleine Tür konnte man den Hof nur einzeln betreten: ein Sicherheitsbereich. Er fungierte als Schnittstelle zwischen halböffentlichem und privatem Raum.

Die Fassade des Comares-Palasts lieferte die Kulisse für prachtvolle Hofzeremonien. In der Mitte, in herausragender Position, saß der Sultan - eine Inszenierung der Macht. Sein Thron: ein luxuriöser, aber auch tragbarer Sitz.

Gleich daneben ein Gang - im Zickzack führt er zum eigentlichen Comares-Palast. Wieder freier Blick: der Myrtenhof mit seinem Wasserbecken - das Zentrum des höfischen Lebens, umgeben von den Sälen des Palastes. Den Comares-Palast ließ der Sohn Ismails erbauen, Yusuf I.

Zunächst der Saal des Schiffs. Wie eine Markise spannt er sich vor dem großen Zelt des Sultans auf.

Der Thron-Saal selbst ist das Zentrum der Macht. Göttliche und irdische Macht treffen hier aufeinander - eines der Glanzstücke nasridischer Architektur. Einer der neun Alkoven durchbricht den Rhythmus der Dekoration. Hier wohnte der Sultan. Typisch für die Nasriden: die Funktion des Raumes wechselt. Selbst der repräsentative Saal wird zugleich privat genutzt.

In seiner Regierungszeit errichtete Yusuf I. die berühmte Hochschule, die Madrasa, in Granada: Ein Zentrum des Wissens und des Glaubens. Mit diesem Innenraum schuf er einen der herausragendsten der ganzen Alhambra. Seine Decke - ein Meisterwerk des islamischen Kunsthandwerks.

Die Holzkonstruktion bildet den Himmel nach: Sieben Himmel muss die Seele eines Gläubigen überwinden. Der achte schließlich ist das Paradies, der Thron Gottes - eine kleine Kuppel mit dem typischen Stalaktitengewölbe. Die Scheitel der Decke stellen die Wurzeln der Paradiesbäume dar.

Unter diesem Himmel führte Yusuf seine Regierungsgeschäfte. Davon erzählt auch die Inschrift im Alkoven, ein Gedicht.

Puerta Vilchez:

"Es ist interessant, den letzten Teil des Gedichts genauer zu untersuchen. Denn dort wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich der Thron Yusufs I. an dieser Stelle befand:
`Und es sprach mein Gebieter Yusuf […], und er verwandelte mich in den Thron des Reiches [...] - der mich mit dem himmlischen Licht, dem Stuhl und dem Thron beschützt.´
Drei Konzepte aus dem Koran, die auf die Inthronisierung Gottes über den sieben Himmeln anspielen."

Gleich nebenan das Hammam. Ein unverzichtbares Element der Paläste. Mehr als ein Dutzend davon zählte die Alhambra. Auf körperliche Hygiene und rituelle Reinigung legte der Islam schon immer sehr großen Wert. Für die Gäste aber war der Besuch des Badehauses auch mit Vergnügen und Geselligkeit verbunden.

Die Sala de las Camas, der Saal der Betten, war zugleich Umkleide- und Ruheraum. Erstaunlich an diesem Saal: die dekorativen Elemente, die Säulen, die Holzvertäfelung - alles ist bunt. Allerdings sind nur die Säulen, Brunnen und Bodenbeläge original. Die Gipsarbeiten wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts mit lebendigeren Farben übermalt. Trotzdem geben sie einen Eindruck davon, wie einst die Innenräume der Alhambra ausgesehen haben mögen: Die Wanddekorationen waren mehrfarbig, vor allem schwarz, rot und blau. Korantexte waren mit Blattgold belegt.

Massageraum, Dampfbad, verschiedene Becken mit kühlem und warmem Wasser: Das Hammam war in mehrere Bereiche unterteilt. Indem man die Dachluken verstellte, konnte man den Dampf des Bades regulieren.

Um die Räume zu beheizen, sind vom zentralen Heizkessel aus Leitungen unterhalb der Marmorböden verlegt. Allerdings war hier Vorsicht geboten: Zum Begehen waren Schuhe mit dicken Sohlen notwendig.

Mitte des vierzehnten Jahrhunderts erreichte das Nasridenreich seine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Herausragende Persönlichkeiten des arabischen Geisteslebens waren in Granada zu Gast. Doch das Leben am Hofe war alles andere als friedlich. Immer wieder gab es Komplotte, Verrat und Mord, auch unter engsten Familienangehörigen. Nur die wenigsten Herrscher der Alhambra starben eines natürlichen Todes - auch Yusuf nicht.

Am 19. Oktober 1354, er war gerade beim Gebet, stach ein Verrückter auf den Sultan ein. Er schrie auf, man unterbrach das Gebet. Doch jede Hilfe kam zu spät: Yusuf starb kurz nach dem Attentat. Den wahnsinnigen Mörder aber zerstückelte das Volk.

"Gedenke deines Herrn, und sei nicht unter den Unachtsamen!" - eine Inschrift fordert zum Gebet auf. Sie entstammt der siebten Sure des Korans.

Der Mihrab zeigt dem Gläubigen die Richtung nach Mekka. An vielen Stellen in den Palästen finden sich solche Gebetsnischen - alles, was sich am Hofe ereignete, bezog sich auf Gott. Der Betsaal lädt zur Meditation ein. Er öffnet sich zur Stadt - das ist ungewöhnlich für eine Moschee. Der Ausblick auf Landschaft und Natur vergegenwärtigen die Großartigkeit der Schöpfung.

Noch am Todestag des ermordeten Yusuf bestieg Muhammad V. den Thron seines Vaters. Er wurde einer der größten Sultane des Emirats, unter seiner Regierung wurde Granada zum Zentrum der islamischen Kultur im Westen. Doch sein Thron war begehrt. Muhammad war gerade fünf Jahre an der Macht, da bemächtigten sich Verschwörer der Alhambra. Es war Ramadan, der Sultan ruhte gerade im Generalife, der Sommer-Residenz. Mit knapper Not gelang ihm die Flucht. Die Verschwörer riefen als neuen Herrscher seinen Bruder aus. Muhammad floh nach Nordafrika. Wie sollte er von hier aus die verlorene Macht zurückerobern?

Hilfe kam ausgerechnet vom christlichen König: Pedro I. von Kastilien soll mit eigener Hand den Anführer der Verschwörung getötet haben. Nur drei Jahre später, im Jahre 1362, kehrte Muhammad in seine Gemächer zurück.

Doch die Unterstützung des christlichen Königs gab es nicht umsonst - er wusste die Rivalitäten der Nasriden für seine Zwecke zu nutzen. Immer wieder mussten Muhammads Reiter für Pedro in den Krieg ziehen.

Aber Muhammads zweite Herrschaft sollte eine kurze Zeit des Friedens werden. Nach seiner Rückkehr ließ er den Löwen-Palast mit seiner unerhörten Pracht erbauen. Auch hier erinnern die Dächer an Zelte, aufgestellt um eine Oase, den Löwenbrunnen. Die Säulengänge gleichen Palmen. Wieder das Spiel von bebautem und freiem Raum.

Für Feste und Musik boten die vier Hauptsäle reichlich Platz. Ein Ort der Unterhaltung - jenseits der Anstrengungen des höfischen Protokolls. Eine Überraschung: Den Saal der Könige krönen drei Gewölbe, die mit Malereien höfischer Szenen verziert sind. Sie sind im vierzehnten Jahrhundert entstanden.

Die figurative Darstellung ist höchst ungewöhnlich im Islam. Doch die Nasriden sind Händler. Sie unterhalten enge Beziehungen zu Kaufleuten aus Genua, Pisa und Venedig - und man verkaufte nicht nur Waren. Es fand auch ein kultureller Austausch statt. Bei den Bildern könnte es sich um Auftragsarbeiten von italienischen oder französischen Künstlern handeln. Vielleicht stellen sie Szenen dar, die sich in den Räumen und Gärten der Alhambra zugetragen haben: Bedeutende Persönlichkeiten des Hofes sitzen bei angeregten Gesprächen auf Kissen. Vor ihnen ausgebreitete Teppiche. Das Schwert hängt sicher am Gürtel.

Ein prächtiges Holztor öffnet sich, ein Meisterwerk der Zimmermannskunst. Der Eingang führt in den Hauptraum des Palastes, die qubba. Ein Saal mit quadratischem Grundriss, auch Saal der zwei Schwestern genannt.

Im oberen Stockwerk befanden sich die Privatgemächer. Die Ehefrauen des Sultans konnten das Geschehen am Hofe durch die Holzgitter verfolgen - der Harem selbst aber blieb fremden Blicken verborgen.

Nach den Sultanen waren die Hofdichter die wichtigsten Vertreter der Macht am Hofe. Sie erfüllten gleich mehrere Aufgaben, wie Ibn Zamrak in seiner Gedichtsammlung, dem Diwan, schilderte:

"Er verlieh mir mit der Wesirs-Würde das Recht, dem Großen Rat beisitzen zu dürfen, die Vollstreckung der Richtsprüche, das Abfassen der Briefe und den militärischen Oberbefehl im Bezirk Orgiva."

Später schrieb er im Rückblick: "Ich diente Muhammad siebenunddreißig Jahre lang. In diesen Jahren habe ich für ihn sechsundsechzig Loblieder gedichtet. All die bewundernswerten Verse, in den Palästen wie in den Gärten der Alhambra, sind mein Werk." Zamraks Lehrmeister aber war niemand anders als der berühmte Ibn al-Jatib. Auch die beiden größten Dichter der Alhambra ereilte ein tragisches Schicksal. Denn Ibn al-Jatib setzte sich eines Tages nach Marokko ab. Eine Sensation - war er doch der engste Vertraute des Sultans! Muhammad ernannte Ibn Zamrak als seinen Nachfolger - und machte ihn so zum zweitwichtigsten Mann im Staat. Doch damit nicht genug: Der Sultan schickte eine Kommission nach Marokko; man verdächtigte den geflohenen Ibn al-Jatib des Verrats und der Ketzerei. Leiter dieses Tribunals war ausgerechnet Ibn Zamrak - und der ließ seinen ehemaligen Meister hinrichten.

War es die Treue zu seinem Sultan, die ihn dazu veranlasste? Oder sah er tatsächlich die Heimat durch den angeblichen Verrat Ibn al-Jatibs bedroht?

Jahre später ermordeten eines Nachts die Schergen des neuen Sultans Ibn Zamrak und seine Kinder. Ganz Andalusien sah darin die gerechte Strafe Gottes: Der Mord an Ibn al-Jatib war gerächt.

Gegenüber dem Saal der zwei Schwestern eine weitere qubba. Sie ist benannt nach den Abencerrajes, einem überaus einflussreichen maurischen Geschlecht der Oberschicht. In den letzten Jahrzehnten des Nasridenreichs entflammte immer wieder der Kampf um die Thronfolge. Die Abencerrajes waren darin oft eine treibende Kraft. Die roten Flecken im Brunnen sollen von Hinrichtungen stammen - vom Blut der Abencerrajes. Eine uralte Legende, doch sie erinnert an die internen Rivalitäten:

Einer der letzten Sultane des Reiches, Abu l-Hasan Ali, zählte auf die Unterstützung der Abencerrajes. Bekannt auch unter dem Namen Muley Hacen, war er mit Aixa vermählt, einer einflussreichen und energischen Frau. Dann aber verliebte er sich in eine Christin aus seinem Harem. Isabel de Solis, genannt Zoraya, gebar dem Sultan zwei Söhne - ein Affront gegenüber seiner ersten Frau Aixa.

Die Abencerrajes stellten sich hinter Aixa. Sie nahmen die Beleidigung zum Anlass, um einzugreifen: Sie versuchten Abu l-Hasan Ali zu stürzen und durch seinen Bruder zu ersetzen. Die Verschwörung des Jahres 1470 scheiterte jedoch - und die Rache des Sultans war furchtbar. Schulter an Schulter sollen die Ritter der Abencerrajes - kniend auf dem weißen Marmorboden - mit dem Schwert gerichtet worden sein.