Logo

Die Anfänge
Das Baptisterium - Giottos Campanile

Schimmernder, bunter Marmor. Einer der schönsten Kirchtürme aller Zeiten, erhaben und elegant. Unsterbliche Kunstwerke, die uns in die Welt Gottes versetzen. Und all das gekrönt von einem Meisterwerk der Architektur, das bis heute niemals übertroffen wurde. Der Dom von Florenz - Ausdruck für den Stolz der Bürger von Florenz und zugleich Monument ihres Glaubens. Generationen von Florentinern haben an ihm gebaut, wohl wissend, dass sie selbst die Vollendung nicht erleben würden. Sie haben zur Ehre Gottes gearbeitet und für den Ruhm ihrer Stadt - 170 Jahre lang.

Von zeitloser Schönheit ist der Dom - und zugleich Ausdruck einer einmaligen Zeit in der Geistesgeschichte des Abendlandes, einer Zeit, in der die Menschen anfingen, Gott und vor allem sich selbst mit ganz neuen Augen zu sehen. Und nicht zuletzt ist er der Stein gewordene Beweis dafür, dass ein einzelner Mensch manchmal das Unmögliche möglich machen - und damit eine neue Epoche der Kultur einleiten kann.

Ende des 14. Jahrhunderts wächst in den Gassen von Florenz ein kleiner Junge auf. Alle nennen ihn Pippo, aber eigentlich heißt er Filippo. Es ist eine aufregende Zeit. Florenz steht in höchster Blüte, die Stadt ist eine der größten Handelsmetropolen Europas. Sie wird von mächtigen Zünften beherrscht - die reichste von allen ist die "Arte della Lana", die Wollgilde. Ihre Mitglieder sind zu Handelsmagnaten geworden, die kostbarste Wollstoffe weben lassen und nach ganz Europa exportieren.

Überall schießen Neubauten aus dem Boden, imposante Kirchen und prächtige Paläste.

Auch ganz in der Nähe von Pippos Elternhaus wachsen gewaltige Ziegelmauern himmelwärts, die höchsten von allen: eine neue Kathedrale entsteht. Pippo ist mit der Baustelle gut vertraut, jeden Tag kommt er hier vorbei. Sein Vater Ser Brunellesco gehört zu den Honoratioren der Stadt, und Pippo spinnt in seinen Träumen grandiose Pläne, wie er als berühmter Baumeister das monumentale Werk vollendet.

Seit achtzig Jahren arbeiten die Florentiner schon an der riesigen neuen Kirche. Der Platz, an dem sie entsteht, ist seit vielen hundert Jahren ein heiliger Bezirk. Zu römischen Zeiten lag er eher am Stadtrand. Gleich neben dem nördlichen Stadttor wurde hier im fünften Jahrhundert die erste Kirche innerhalb der Stadtmauer gebaut, davor eine Taufkapelle und der Bischofspalast. So entstand die "asse sacro", die "Heilige Achse". Die Grundmauern der antiken Kirche haben Archäologen vor etwa vierzig Jahren unter dem Fußboden des heutigen Doms ausgegraben. Zum Vorschein kamen die Reste einer typischen spätrömischen Basilika - geschmückt mit wunderbaren Mosaiken. Gewidmet war sie der Heiligen Reparata, einer frühen Märtyrerin aus Palästina.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde die Kirche der Santa Reparata mehrmals renoviert und umgebaut. Im 12. Jahrhundert wurde sie schließlich zur Kathedrale - nachdem man die Reliquien des Heiligen Zenobius hierher gebracht hatte. Er wird als erster Bischof von Florenz verehrt und ist zusammen mit Reparata und Johannes dem Täufer bis heute Schutzpatron der Stadt.

Die Taufkapelle gegenüber von Santa Reparata war zu römischen Zeiten kleiner als das heutige Baptisterium, aber schon damals achteckig. Das war kein Zufall. Die Zahl Acht symbolisiert das ewige Leben: in sechs Tagen hat Gott die Welt erschaffen, am siebten hat er geruht - der achte wird der Tag seiner Wiederkunft sein. Im Mittelalter war diese Symbolik besonders deutlich, denn damals war die Kapelle von einem Friedhof umgeben. Man durchquerte also die Zone des Todes, um in der Taufe als Christ wiedergeboren zu werden.

Mitte des elften Jahrhunderts begann in Florenz ein großer wirtschaftlicher und politischer Aufschwung. Ab dem Jahr 1059 vergrößerten die Florentiner auch ihr Baptisterium. Es wurde zum Stolz der Stadt - der große Dichter Dante nannte es "mio bel San Giovanni", "mein schöner Sankt Johannes". Die neue Kuppel war mit 26 Metern Durchmesser die größte des ganzen europäischen Mittelalters.

Der damalige Reichtum ist auch an den prächtigen Mosaiken abzulesen. Ganz in der Tradition der byzantinischen Ikonen ist ihr Hintergrund aus echtem Gold - Symbol für die Herrlichkeit Gottes. In 59 Szenen zeigen sie die gesamte Geschichte der Welt. Den Anfang macht die Schöpfung. Darunter die Geschichte von Josef, einem der Stammväter des auserwählten Volkes Israel. Es folgen Szenen aus dem Leben Jesu. Im untersten Streifen schließlich die Geschichte von Johannes dem Täufer. Er hat Jesus getauft, und ihm ist folglich auch die Taufkapelle geweiht.

Das Motiv der Wiedergeburt durch die Taufe nehmen die wichtigsten Mosaike über dem Altar auf: in der Mitte Christus mit den Wundmalen - gestorben und wiederauferstanden. Unter ihm stehen am Tag des Jüngsten Gerichts auch die toten Menschen wieder auf. Aber sie werden geteilt: zu seiner Rechten lädt Christus die Rechtschaffenen ins Paradies ein, zum ewigen Leben im Schoß der Heiligen. Die linke Hand Christi zeigt dagegen den Handrücken, eine Geste der Abwehr. Und unter dieser Hand werden die Sünder in die Hölle verbannt.

Diese Mosaike sind zwischen 1220 und 1290 entstanden, noch ganz im Stil des Mittelalters. Wir wissen, dass sie zum Teil von Künstlern aus Venedig stammen, denn dort wurde die byzantinische Tradition der Mosaike besonders gepflegt. Aber wer genau sie geschaffen hat, das wissen wir nicht. Im Mittelalter steht das Werk im Mittelpunkt. Wichtig sind die Bilder und ihre Botschaft - die Künstler sind nur Handwerker, die Gottes Willen umsetzen. Deshalb signieren sie ihre Werke in der Regel auch nicht. Bis heute hält sich übrigens die Legende, das Baptisterium sei einst ein römischer Tempel gewesen. Und auch diese Legende enthält ein Körnchen Wahrheit: die Säulen und viele der Marmorplatten stammen tatsächlich aus antiken Gebäuden.

Das prächtige Baptisterium diente zeitweise sogar selbst als Kathedrale. Die alte Kathedrale der Santa Reparata dagegen wurde immer baufälliger. Die Florentiner waren damit beschäftigt, ihr Handelsimperium aufzubauen - die Kultur musste warten. Ende des 13. Jahrhunderts aber änderte sich das. Florenz war jetzt eine der größten Städte Europas, und das sollte man endlich auch der Kathedrale ansehen. Die Konkurrenz in Siena und Pisa hatte längst spektakuläre neue Kirchen gebaut. Das konnten die Florentiner nicht länger auf sich sitzen lassen. Ein neuer Dom musste her - eine "Staatskirche", der Bedeutung von Florenz angemessen.

Den Auftrag für den Bau bekam im Jahr 1296 Arnolfo di Cambio - einer der wichtigsten Baumeister und Bildhauer des Mittelalters, damals Stadtbaumeister von Florenz und unter anderem auch Architekt des Palazzo Vecchio. Arnolfo plante eine typische gotische Kathedrale. Allerdings bestand sie am östlichen Ende nicht aus dem üblichen Querschiff und einem Chor, sondern aus drei Apsiden, die die achteckige Form des Baptisteriums aufgriffen - eine sogenannte "Drei-Konchen-Anlage".

Aber schon fünfzehn Jahre nach Baubeginn starb Arnolfo. Rings um die alte Kathedrale wuchsen gerade die Mauern des neuen Langhauses. An der Westwand hatte Arnolfo eine gotische Fassade mit Säulen, Reliefs und Statuen geplant. Bei seinem Tode war sie bis zur Oberkante der Portale fertig - und dabei sollte es jahrhundertelang bleiben. Auch für den kleinen Pippo Brunelleschi war das um 1380 der vertraute Anblick: eine halbfertige gotische Fassade, die schon damals etwas altmodisch wirkte.

Nach Arnolfos Tod war das Domprojekt zunächst für zwanzig Jahre versackt. 1331 übertrug die Stadt schließlich die "Opera del Duomo", also die Dombauhütte, an die Gilde der Wolltuchhändler. Und die reichen Kaufleute trieben die Sache endlich voran. Zu Arnolfos Nachfolger wurde Giotto di Bondone ernannt. Er war vor allem als Maler hochberühmt, denn er hatte einen vollkommen neuen Stil begründet: statt der symbolischen Bilder des Mittelalters malte Giotto die wahre Welt, plastisch und lebendig. So etwas hatten die staunenden Menschen noch nie gesehen - Giotto wurde zum Wegbereiter der Renaissance-Malerei.

Für den Dom von Florenz entwarf er vor allem den neuen Glockenturm. Feierlicher Baubeginn für ihn war am 19. Juli 1334 - aber schon drei Jahre später starb auch Giotto. Von seinem Campanile war erst der unterste Abschnitt fertig.

Seinen Nachfolger hatte der Meister einige Jahre vorher selbst eingeführt. Die Wollbarone wollten das hölzerne Hauptportal des Baptisteriums durch eine Bronzetür ersetzen. Auf Giottos Empfehlung hin bekam der Bildhauer Andrea Pisano den Auftrag - und der lieferte ein Glanzstück ab. Die beiden Türflügel unterteilte Pisano in 28 Felder. Die untersten zeigen die Sieben Tugenden und die Demut - alle zusätzlich mit gotischen Inschriften identifiziert. Die oberen zwanzig Felder erzählen das Leben Johannes des Täufers - das zentrale Motiv des ganzen Baptisteriums. Die Geschichte beginnt links oben: ein Erzengel verkündet Zacharias die Geburt seines Sohnes Johannes. Den Höhepunkt von Johannes' Leben bildet die Taufe von Jesus - sie ist seine wichtigste Aufgabe in der Heilsgeschichte. Deshalb ist diese Szene genau in Augenhöhe angebracht. Und gerade hier bewies Andrea seine ganze Meisterschaft: Christus steht im Jordan - und die Lichtbrechung unter Wasser ist perfekt in das Relief umgesetzt.

Am Ende steht der Tod von Johannes. Er beginnt mit dem Tanz der Salome. Als Belohnung für ihren Auftritt wünscht sie sich das abgeschlagene Haupt des Täufers. Diese grausige Idee stammt von ihrer Mutter Herodias: Johannes hat es gewagt, die Königin zu kritisieren - und als Rache bekommt sie seinen Kopf.

Die wunderbar lebendigen Türflügel hatte Andrea im Jahr 1336 vollendet. Vier Jahre später wurde er zum neuen Dombaumeister ernannt. Wie Giotto konzentrierte er sich vor allem auf den Turm. Er baute die nächsten beiden Abschnitte - und verzierte sie mit zwei Reihen von Reliefplatten.

Der Zyklus beginnt an der Westseite mit der Erschaffung von Adam und Eva. Nach der Vertreibung aus dem Paradies müssen die Menschen ihr Brot im Schweiße ihres Angesichts selbst verdienen. Um sich das Leben zu erleichtern, machen sie bald Erfindungen. So beginnen sie zum Beispiel Tiere zu halten - nach der Bibel ist Jabal der erste Viehzüchter. Sein Bruder Jubal entwickelt die Musik.

Das war Andrea Pisanos eigentliches Thema: die Kreativität der Menschen, inspiriert von Gott. Und folgerichtig stellte er hier zum ersten Mal auch die praktischen Künste dar - etwa die Baukunst. Das war ganz neu: seit der Antike galt sie wie alle Handarbeiten als "niedere Kunst", eines gebildeten Mannes unwürdig. Pisanos Reliefs aber zeigen, dass die Menschen jetzt selbstbewusster wurden und auch manuelle Arbeit Anerkennung fand. In einem eigenen Medaillon zeigt Pisano auch die Erfindung der Weberei - zugleich eine Verbeugung vor der Zunft der Wollmagnaten, die das Projekt ja in Auftrag gegeben hatte.

In der oberen Ebene sind die Tafeln nicht achteckig, sondern rautenförmig. Sie stellen Allegorien der Planeten dar und an der Nordseite die Sieben Sakramente, teilweise von Andreas Mitarbeiter Maso di Banco ausgeführt. Pisanos Reliefs zeigen eine räumliche Tiefe, die man ganz ähnlich auch in den Gemälden Giottos findet - so ähnlich, dass sich manche fragen, ob die Entwürfe nicht von Giotto selbst stammen. An der Ostseite schließlich in der oberen Reihe die Tugenden und darunter die Krönung der menschlichen Erfindungsgabe: die Sieben Freien Künste - symbolisch dargestellt wie hier die Grammatik.

Nachdem er zwei neue Abschnitte des Turms gebaut hatte, starb auch Andrea Pisano. Erst sein Nachfolger Francesco Talenti vollendete den Turm 1359. Er hatte noch einmal drei Abschnitte hinzugefügt - nun aber mit großen gotischen Fenstern und ohne weiteren Figurenschmuck. Dadurch hatte er dem Turm seine elegante Leichtigkeit gegeben. Francesco Talenti widmete sich nun endlich auch wieder dem eigentlichen Dom. Er übernahm zwar Arnolfo di Cambios Pläne, machte sie aber noch monumentaler. Das sieht man heute noch gut an den Fenstern: die westlicheren stammen von Arnolfo, sie sind niedriger und schmaler. Talenti aber plante breitere Bögen, damit wurden auch die Fenster größer.

Nach diesen Änderungen mussten die Wolltuchhändler nun einen endgültigen Plan für die Kathedrale beschließen. Der Weg dazu war derselbe wie heute: ein Architekten-Wettbewerb. Es spricht für die damalige Atmosphäre in Florenz, dass der Sieger dieses Wettbewerbs nicht etwa der eigentliche Dombaumeister Talenti war, sondern eine Gruppe von Künstlern, neben Architekten vor allem Maler. Ihr neuer Plan schrieb eine Idee fest, die wohl schon Arnolfo gehabt hatte: als Zeichen für die Größe der Stadt Florenz sollte sich über der Vierung des Doms eine gewaltige Kuppel erheben. Die Florentiner waren begeistert. Es gab nur ein Problem: niemand wusste, wie man eine solche Kuppel baut.