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Die Anfänge von Venedig

Flüchtlingscamps und ein dreister Diebstahl:
Die Anfänge von Venedig

Am Anfang stehen Römer auf der Flucht vor dem Untergang ihrer Welt. Im Jahr 395 teilt sich das riesige Römische Reich. Neue Hauptstadt im Osten, gleichberechtigt neben Rom, wird Konstantinopel, das ehemalige Byzanz. Noch über tausend Jahre wird Ostrom bestehen. Später wird man es auch als "byzantinisches Reich" bezeichnen.

Das alte Zentrum des Imperiums aber wird von Barbaren überrannt: Goten, Hunnen, Langobarden. In Panik fliehen die Menschen aus den Städten in die Lagune. Im Labyrinth aus schlammigen Flüsschen und über hundert Inseln fühlen sie sich sicher. Schließlich gründen sie eine Stadt. Zu deren Mittelpunkt wird ein Inselchen namens "Hohes Ufer", "Rivo Alto" - später "Rialto".

Ganz Norditalien wird nach und nach von den Franken erobert. Nicht aber Venetien: Rings um die Lagune hält sich eine oströmische Provinz. Die ehemaligen Flüchtlinge bilden den westlichsten Außenposten des byzantinischen Reiches. Als echte Römer wissen sie ihre Beziehungen nach Osten und die einmalige Lage ihrer Stadt zu nutzen: sie bauen immer bessere Schiffe und bringen mit ihnen Handelswaren vom Orient nach Mitteleuropa. Damit beginnt der unglaubliche Aufstieg von malariaverseuchten Flüchtlingslagern zur reichsten und mächtigsten Handelsmetropole Europas.

Schutzpatron der jungen Stadt ist Sankt Theodor, ein Bruder des Heiligen Georg. Die Venezianer aber hätten nun gerne einen potenteren Patron, der ihrem wachsenden Selbstbewusstsein gerecht wird. Und sie bekommen ihn - mit einem dreisten Diebstahl. Seine Geschichte ist im Markusdom gleich mehrmals verewigt.

Im Jahre 828 sind einige venezianische Kaufleute in Alexandria versammelt. Ihre Anführer Buono da Malamocco und Rustico da Torcello haben dramatische Neuigkeiten: Das Grab des Heiligen Markus ist in Gefahr! Alexandria wird seit über hundert Jahren von Moslems beherrscht, und angeblich wollen sie nun alle christlichen Kirchen zerstören. Das haben Buono und Rustico in der Grabkirche von Markus erfahren, vom Priester Theodoros und einem Mönch namens Staurazio.

Die Venezianer überreden die beiden mit sanftem Druck, den Heiligen in Sicherheit zu bringen - ins ferne Venedig. Um die kostbare Reliquie an den arabischen Zöllnern vorbeizuschmuggeln, bedienen sie sich einer List: sie verstecken den Körper unter Schweinefleisch. Das gilt den Moslems als unrein - und tatsächlich lassen die Aufseher die anrüchige Fracht passieren. In Venedig werden die Kaufleute mit dem Heiligen begeistert empfangen. Die Entführung war ein genialer Coup: Reliquien spielen im Mittelalter eine wichtige Rolle. Davon zeugen mehr als hundert kostbare Reliquiare im Schatz des Markusdoms.