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The Beginnings of the Alhambra
Ritter auf der Wartburg
Der Rabe Hörselkrah erzählt
He! He, hallo! Hier drüben! Nun glotzt doch nicht so! Noch nie einen Ritter-Raben gesehen? Ich wohne hier, schon seit tausend Jahren. Ich bin der Hörselkrah! Und Ihr? Wollt sehen, wie eine Ritterburg funktioniert, was? Da kann ich Euch was erzählen. Ich war ja damals schon dabei, hihihi!
Die Wartburg ist nämlich eine echte Ritterburg! Ein Teil ist zwar erst gebaut, als es schon keine Ritter mehr gab. Aber so, wie die Burgen im Mittelalter auch ausgesehen haben. Angefangen hat alles - Moment mal, hier: mit ihm. Ludwig. Das hier ist seine Grabplatte. Der war ein richtiger Ritter mit einer Rüstung - so wie die hier. Der kam vor vielen hundert Jahren hier durchs Tal und hat diesen perfekten Berg gesehen. Und darauf wollte er unbedingt eine Burg bauen. Also, gebaut hat natürlich nicht der Ludwig selbst. Sondern eine Menge Handwerker.
Das war ein Riesenaufwand, so eine große Baustelle mitten im Wald. Damals musste man ja alles mit der Hand machen. Hier zum Beispiel der Baukran. Ja, den hatten sie damals schon - aber er war nicht wie heute elektrisch. Mehrere Männer haben mit einem Seil die schweren Steine nach oben gehievt. Hau ruck! Hehehe...
In die größten Steine haben sie extra Löcher gehauen, damit man sie mit großen Zangen ans Seil binden konnte. Oben auf dem Gerüst haben dann die Maurer mit den Steinen die Mauern immer höher und höher gebaut. Die Maurer waren aber absolut nicht die wichtigsten Handwerker auf der Baustelle. Neinnein - das war der Schmied!
Tag und Nacht brannte hier das Feuer. Der Lehrbub musste es mit dem Blasebalg immer weiter anfachen, damit es heiß genug wurde. Der Arme hat geschwitzt in der Hitze... Aber es musste richtig heiß sein, denn hier in der "Esse" wurde das Eisen zum Glühen gebracht. Auf dem Amboss hat der Meister dann mit einem schweren Hammer die Werkzeuge für die anderen Handwerker geschmiedet. Deshalb war er so wichtig: ohne Meißel hätten die Steinmetze die Steine nicht hauen können. Und ohne Säge hätten die Zimmermänner keine Balken sägen können.
Die haben sie aber sie für die Gerüste an den Mauern gebraucht. Und als die Mauern fertig waren, haben die Zimmerleute oben drauf Wehrgänge und ganze Häuser gebaut. Aus Stein waren damals nur Burgmauern und die Türme und das Hauptgebäude. Für alle anderen Bauten hat Holz vollkommen ausgereicht. Und die Nägel für die Balken - die hat auch wieder der Schmied gemacht. Cooler Typ! Ach übrigens: das erste Gebäude, das die Handwerker gebaut haben, war nicht etwa eine Mauer oder ein Turm. Für schlechtes Wetter haben sich die Handwerker erstmal einen Unterstand gezimmert. Den nannten sie "Bauhütte". Den Begriff gibt's noch: bei großen, alten Kirchen heißt die Werkstatt der Handwerker heute immer noch "Dombauhütte".
Aber aus welchen Teilen besteht denn so eine Burg eigentlich? Und warum hat Ludwig sie so umständlich mitten im Wald oben auf diesem steilen Berg gebaut? Also: zuallererst kann man sich natürlich besser gegen Feinde wehren, wenn man selber oben sitzt und die anderen von unten kommen müssen. Denn damals haben die Ritter mit Schwertern und Lanzen gegeneinander gekämpft, um zu sehen, wer der mächtigere ist. So wie hier - das hier sind uralte Bilder, original aus dem Mittelalter.
Wenn man beim Kampf verloren hatte, konnte man immer noch in die Burg fliehen. Deshalb brauchte man oben auf dem Berg als erstes mal starke, hohe Mauern. Auf den Mauern waren entweder Zinnen oder Wehrgänge. Beide sind dafür da, dass man mit Pfeil und Bogen von den Mauern runterschießen kann, ohne selbst getroffen zu werden.
Außerdem hat die Burg am Eingang ein massives Tor, davor einen tiefen Graben mit einer Zugbrücke. Wenn die Zugbrücke hochgezogen war, kam niemand mehr rein in die Burg. Um sie trotzdem zu erobern, hat man sie belagert. Also mit vielen Kriegern umzingelt, so dass niemand raus konnte. Und zwar so lange, bis die Verteidiger auf der Burg nichts mehr zu essen hatten und aufgeben mussten. Damit das nicht passiert, waren Burgen so gebaut, dass sich die Bewohner viele Wochen lang selbst versorgen konnten. Zum Beispiel gibt es mitten in der Wartburg einen Garten. Da sind die Ritter bestimmt auch mal spazieren gegangen oder haben sich mit ihren Frauen getroffen. Aber vor allem wurden hier Gemüse und Gewürze zum Essen angebaut - und Kräuter, aus denen man Medizin machen konnte, wenn mal jemand krank war.
Auch sonst gab es auf so einer Burg alles, was man so zum Leben braucht. Um den ersten Hof herum sind viele Wirtschaftsgebäude. Das ist der zweite Teil der Burg. Man nennt ihn die Vorburg. Hier haben viele Handwerker gelebt: Pferdeknechte und Hufschmiede, Mägde und Wäscherinnen, Soldaten und auch der Burgvogt. Das war der Chef der Burg, solange der Hausherr nicht da war. Hier war richtig Leben! Und dann gab es auf einer Burg auch Schweine und Hühner - als lebendiger Fleischvorrat sozusagen.
Wenn's aber wirklich mal eine Belagerung gab, dann war das Essen gar nicht mal das wichtigste. Auch nicht dicke Mauern oder besonders scharfe Schwerter. Neinnein - das Wichtigste war: Wasser, zum Trinken! Und da hatte die Wartburg ein Problem. Normalerweise haben die Burgbewohner Wasser von einer Quelle unten am Fuß des Berges geholt. Viele Kinder reiten ja heute mit einem Esel zur Burg - die Tierchen gab es damals schon. Die haben nämlich das Wasser hoch auf die Burg getragen. Aber bei einer Belagerung wären die natürlich nicht in die Burg rein gekommen!
Und in der Burg selbst gab es kein Wasser. Den kleinen Brunnen in der Vorburg, den hat erst viel später jemand gebaut. Und der große Brunnen hier - der ist gar keiner. Er ist nur eine Zisterne, also ein Wasserspeicher. Hier drin haben sie bei Regen das Wasser von den Dächern gesammelt. Eine Belagerung hätten die Burgbewohner also nur bei perfektem Wetter überstanden: nämlich wenn es dauernd geregnet hätte.
Zum Glück hat fast nie jemand die Wartburg so richtig belagert. Sie war vor allem eine Wohnung. Der Enkel vom alten Ludwig, der hieß auch wieder Ludwig, hat sich ein riesiges Wohnhaus gebaut. Das ist das größte und wichtigste Haus der Burg. Man nennt es "Palas". Im Erdgeschoss waren die Wohnräume. Hier im Rittersaal haben die Männer geschlafen. Und zwar alle zusammen! Viele Möbel hatten sie übrigens nicht. Immerhin lagen hier auf dem Boden Teppiche und Kissen, und es gab Hocker und Bänke zum Sitzen. Aber Schränke gab es nicht - stattdessen hatte man solche Truhen. Und es gab einen Kamin, und sogar eine Fußbodenheizung! Auf den meisten Burgen war es im Winter richtig kalt, brrr...
Auf der anderen Seite war der Schlafsaal für die Frauen. Und hier, in der Mitte, haben sich bestimmt alle zum Essen getroffen. Hier sieht es heute allerdings ein bisschen anders aus. Vor allem dass hier ein Tisch drinsteht, ist eigentlich falsch. Im Mittelalter wurde nämlich der Tisch erst reingebracht, wenn das Essen fertig war. Und er war viel größer als heute - denn hier hat nicht nur der Landgraf mit seiner Frau gegessen, sondern auch wieder eine Menge anderer Leute: die Ritter und Knappen, die Hofdamen und Kammerzofen, der Burgvogt, Ritter auf Besuch - eben der ganze Hofstaat. Und wenn dann alle getafelt hatten, wurde "die Tafel aufgehoben". Das sagt man auch heute noch, wenn man nach einem festlichen Essen aufsteht. Die Redensart kommt aber daher, dass die Diener damals wirklich den Tisch hochgehoben und mitsamt dem Geschirr einfach rausgetragen haben.
Übrigens - wie war das denn, wenn man nach dem Essen mal musste? Auf der Burg gab es natürlich auch Toiletten, klar! Hier neben dem Speisesaal, geht's in ein Kämmerchen. Das ragt über die Mauer raus - von außen sieht das dann ungefähr so aus wie dieser Erker. In dem Kämmerchen war ein Balken mit einem Loch zum Draufsetzen. Und das Ganze war unten offen. Und damit ist wohl klar, wo der Begriff "Plumpsklo" eigentlich herkommt.
Abends haben die Ritter dann manchmal gespielt - Schach zum Beispiel gab's damals schon. Oder sie haben Musik gemacht und Parties gefeiert. Die Musik war aber nicht nur zum Tanzen da: damals konnte nämlich kaum jemand lesen. Und die Sänger haben in ihren Liedern Geschichten erzählt - so quasi wie Kino zum Hören. Die Sänger waren große Stars, viele waren zugleich auch selbst Ritter! Hier auf der Wartburg hat eines der berühmtesten Sänger-Festivals des ganzen Mittelalters stattgefunden. Und zwar wahrscheinlich hier, in diesem Saal. Deshalb heißt er "Sängersaal".
Der große Saal war eigentlich der wichtigste Raum der Burg. In der Wartburg gibt es sogar zwei davon - weil die so bedeutend war, hat der zweite Ludwig oben noch einen drauf gebaut. Hier hat er nicht nur gefeiert, hier hat er vor allem auch Hof gehalten. Er hat auf dem Thron gesessen und Entscheidungen gefällt oder wichtige Gäste empfangen. Denn er war Landgraf - einer der wichtigsten Männer im Reich, gleich nach dem König. Und weil er hier seinen Hof hatte, nennt man den Teil um den Palas auch die Hofburg.
Aber nicht alle haben so angenehm gewohnt. Wie sich das für eine richtige Burg gehört, gibt es in der Wartburg auch ein Verlies. Das ist hier im Südturm. Der Eingang zum Turm ist auf halber Höhe - da kann man ihn besser verteidigen. Und darunter ist ein finsterer Raum. Durch das winzige Loch haben sie die Gefangenen mit einem Seil in den Kerker runtergelassen - das Loch hieß nicht umsonst das "Angstloch"!
Ich erinnere mich noch genau an einen, der später mal hier drin saß: Fritz Erbe. Der hatte eigentlich gar nichts verbrochen. Er war nur der Meinung, dass Menschen über sich selbst entscheiden sollten. Darum hat er Ärger mit den Machthabern gekriegt. Aber er hat sich nicht von seinem Glauben abbringen lassen. Und deshalb saß er hier unten drin, vor fast fünfhundert Jahren. So ungerecht ist die Welt! Gut, dass ihr heute nicht mehr so seid. Oder? Ihr seid doch nicht etwa ungerecht?!
Apropos Südturm - von den Türmen haben wir noch gar nicht geredet. Und erst mit Türmen ist so eine Burg komplett! Wie die ganze Burg hatten auch die Türme zwei Funktionen: Einerseits konnte man gut runtergucken und irgendwelche Feinde schon von weitem sehen. Und wenn die Feinde dann da waren, konnte man mit Pfeilen auf sie runterschießen. Andererseits aber hat man auch die Türme schon von weit weg gesehen. Und damit konnten die Ritter wieder angeben. So nach dem Motto: wer den höchsten Turm hat, ist der mächtigste Ritter.
Der größte und höchste Turm der Burg heißt übrigens Bergfried. Er war am besten gesichert. Falls die Burg erobert wurde, konnte man sich hier noch als allerletzte Zuflucht verbarrikadieren. Und von oben kann man viele Kilometer weit über das Land rings um die Burg sehen. Und sich freuen, dass man der Chef ist.
Ja. So funktioniert also eine Burg. Jetzt wisst Ihr Bescheid. Jetzt müsst ihr nur noch selber Chef werden. Aber nicht hier. Keine Chance. Hier bin ich der Chef! Hehehe. Und ich hau jetzt ab. Wenn Ihr mal wieder in der Gegend seid, besucht mich doch mal. Tschüß - und nicht vergessen: ich bin der Hörselkraaah...!